Hormone beeinflussen unser Empfinden und steuern sogar unser Verhalten. Bekannte Vertreter sind die Sexualhormone Testosteron und Östrogen. Auch das Glückshormon Serotonin ist den meisten Menschen ein Begriff. Nicht ganz so bekannt, dafür aber unglaublich mächtig: Oxytocin, das “Kuschelhormon”.
Oxytocin: Was ist das und wie wirkt es?
Bei Oxytocin handelt es sich um ein Hormon und Neurotransmitter. Gebildet wird der Stoff in der Hirnanhangdrüse, von wo aus er ins Blut abgegeben wird. Im Körper übernimmt Oxytocin zahlreiche Aufgaben und wird gemeinhin als Kuschelhormon bezeichnet, da es die emotionale Bindung zwischen Menschen stärkt. Außerdem reguliert es den Blutdruck und den Cortisolspiegel. Weil Cortisol in Stresssituationen ausgeschüttet wird (und sogar krank machen kann), hat Oxytocin als Regulativ eine entspannende Wirkung auf uns. Eine besondere Rolle spielt das Hormon bei der Geburt.
Oxytocin und die Geburt
Bereits bevor unser Leben so richtig startet, spielt Oxytocin in selbigem eine entscheidende Rolle. Denn das Hormon leitet die Wehen ein, sorgt für eine emotionale Bindung zwischen Kind und Mutter und regt die Produktion der Milch an. Diesen Aufgaben hat das Hormon auch seinen Namen zu verdanken. Im Altgriechischen bedeutet Oxytocin in etwa so viel wie “schnelle Geburt”. Bei der Geburtshilfe wird es bei Wehenschwäche deshalb für die Einleitung der Geburt verwendet.
Mehr als ein Frauenhormon
Doch Oxytocin ist mehr als ein “Frauenhormon”. Unabhängig von unserem Geschlecht wird es ausgeschüttet, sobald wir körperliche Nähe und vertraute Berührungen spüren. Besonders hohe Dosen befinden sich unserem Blut, wenn wir Geschlechtsverkehr haben. Alle Personen, die sich schon einmal gefragt haben, wieso man sich schneller in jemanden verliebt, mit dem man das Bett geteilt hat, kennen nun die Antwort: Oxytocin ist schuld. Lässt die Anziehungskraft im Laufe einer Beziehung nach, kann dies auf einen Mangel an Oxytocin hindeuten.
Oxytocin Nasensprays und Tabletten
Verschiedene Untersuchungen mit Männern konnten zeigen, dass Oxytocin eine ähnliche Wirkung besitzt wie Viagra. Nicht nur die Ausdauer, auch die Lust auf Sex nahm deutlich zu und war sogar größer als im Vergleich zur Einnahme der berühmten blauen Pillen. Was beim Mann klappt, funktioniert mit Oxytocin auch bei der Frau. Berichte deuten darauf hin, dass das Frauen die Lust mit Oxytocin Nasenspray deutlich steigern können. Frauen bekommen entsprechende Präparate vom Gynäkologen verschrieben, um die Milchmenge in der Stillzeit zu steigern und erfahren dabei nicht selten eine Steigerung der sexuellen Lust.
Oxytocin gegen psychische Erkrankungen
Das “Kuschelhormon” senkt nicht nur das Stresslevel, sondern lindert auch Angst und Sorgen. Der Grund: Oxytocin dockt in
in der Amygdala an, einem Teil des limbischen System im Gehirn, das für Angstreflexe verantwortlich ist. Oxytocin mindert die Aktivität dieses Hirnareals und könnte deshalb bei Angststörungen helfen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass zu wenig körperliche Nähe und damit eine verminderte Ausschüttung von Oxytocin zu Angststörungen und Depressionen führen kann. Da Oxytocin nicht nur durch die Nähe beim Geschlechtsakt ausgeschüttet wird, sondern auch Bestandteil von Sperma ist, erforschen Wissenschaftler bereits länger die antidepressive Wirkung des männlichen Ejakulats auf Frauen.
Sogar in Bezug auf Autismus konnten Forscher positive Effekte verzeichnen. Unterschiede beim Verhalten im Vergleich zu gesunden Menschen waren unter dem Einfluss von Oxytocin in Studien nicht mehr vorhanden.
Die Kehrseite der Medaille
Wo Licht ist, da ist meist der Schatten nicht weit. Auch Oxytocin hat eine Schattenseiten, die Wissenschaftler wie der Psychologe Carsten De Breu betonen. In einer von ihm durchgeführten Untersuchung konnte er nachweisen, dass Oxytocin die Abgrenzung zu anderen fördert und sogar für die Entstehung von Hass, Konflikten und Gewalt verantwortlich gemacht werden kann – ebenso wie ein Mangel des Hormons.
De Breu ließ zwei Gruppen miteinander verhandeln, deren Interessen komplett unterschiedlich waren. Weiterer Unterschied: Eine Gruppe bekam Oxytocin, die andere nicht. Das erstaunliche Ergebnis war, dass die Mitglieder der Oxytocin Gruppe zwar untereinander einen achtsamen und harmonischen Umgang pflegten, sich aber deutlich stärker von der anderen Gruppe distanzierten und diese sogar anlog, wenn es der eigenen Gruppe half.
Die Schlussfolgerung: Oxytocin stärkt die Bindung zu bestimmten Menschen (die auf einer Wellenlänge mit einem selbst sind), fördert durch das fürsorgliche und beschützende Verhalten aber auch Abgrenzung und Aggression gegenüber anderen Menschen.
Tipp: Vom Kauf rezeptfreier Oxytocin-Sprays im Internet raten Ärzte dringend ab. Die tatsächliche Zusammensetzung sei oftmals nicht eindeutig – die Einnahme könnte Gefahren bergen, die nicht abzuschätzen seien. Lediglich bei diagnostizierten psychischen Erkrankungen oder einem Milchstau bei Frauen ist eine Therapie mit Oxytocin empfehlenswert. Auskunft erhaltet ihr wie immer bei eurem Haus- oder Facharzt.
Oxytocin natürlich erhöhen
Um die Oxytocin- Ausschüttung zu erhöhen, braucht es kein Nasenspray und auch keine Tabletten. Mehr Berührungen, mehr Kuscheleinheiten, mehr Küsse und mehr Sex helfen dabei, den Oxytocin-Spiegel im Blut auf natürliche Weise zu steigern. Die körpereigene Droge sorgt ganz von alleine dafür, dass wir uns ausgeglichener und einfach glücklicher fühlen. Wer momentan ohne Partner/in dasteht, muss sich aber keine Sorgen machen, denn es gibt viele Mittel und Wege, mit denen sich Oxytocin auf natürliche Weise erhöhen lässt.
Da wäre zum Beispiel häufiges Lachen. Wer sich einen lustigen Film anschaut oder gemeinsam mit Freunden eine gute Zeit hat, der erhöht seinen Oxytocin-Level auch ohne Berührungen. Ebenso wirksam sind Gebete und Meditation. Wem die Meditation zu weit geht, der erzielt auch mit Yoga gute Ergebnisse in puncto Oxytocin-Ausschüttung. Ebenso hilft es, Gutes zu tun, kreativ zu sein und Zeit mit Haustieren zu verbringen.
Quellen & Verweise
https://www.psych.mpg.de/2323689/oxytocin-studie-bei-autismus
https://www.uni-hamburg.de/newsroom/presse/2018/pm29.html
http://hss.ulb.uni-bonn.de/2012/2830/2830.pdf