Der Bodensee kann getrost als Grenzgänger unter den Binnengewässern bezeichnet werden. Schließlich haben neben Deutschland auch die Schweiz, Österreich sowie das Fürstentum Liechtenstein Anteile am insgesamt 273 km langen Ufer. Für uns ist das Grund genug, einmal auf die Lebenswirklichkeit der “Bodenseeler” einzugehen und das Thema Arbeit zu beleuchten. Denn viele, die in Deutschland leben, pendeln zum Arbeiten in die Schweiz - teilweise auch deutlich über die Bodenseeregion hinaus nach St. Gallen oder Zürich. Wir verraten, wieso das so ist und ob das komplette Auswandern eine Alternative zum Dasein als Grenzgänger darstellt.
Hohes Gehalt, günstige Miete: das Beste aus zwei Welten
Als "billig" kann man auch den Bodenseekreis nicht bezeichnen: Die Mietpreise lagen 2021 zwischen 11,10 und 15 Euro pro m², abhängig von der Größe der Wohnung. Der bundesweite Durchschnitt lag im selben Jahr zwischen 9 Euro und 11,20.
Doch wirklich teuer wird es, wenn man die Grenze überschreitet: In St. Gallen zahlt man beispielsweise locker 19 Franken (etwa 19,50 Euro) pro gemieteten Quadratmeter. Auch die Preise im Supermarkt und Restaurant sind nicht mit denen in Deutschland zu vergleichen. Das gilt allerdings auch für die Gehälter:
Während ein/e Rezeptionist/in (Vollzeit) in der Bundesrepublik durchschnittlich 32.000 brutto jährlich verdient, sind es in der Schweiz satte 50’000 Franken. Wieso also nicht das Beste aus beiden Welten miteinander kombinieren und im deutschen Teil der Bodenseeregion leben, dafür aber in der Schweiz arbeiten!? Eine zugegeben rhetorische Frage, die über 20.000 Menschen in der Bodenseeregion längst für sich beantwortet haben. Denn so viele deutsche GrenzgängerInnen ziehen die Grenzregionen in der Schweiz zum Arbeiten an (Zahlen der Fachstelle für Statistik Kanton St. Gallen).
Doppelbesteuerung für Grenzgänger
Was Vorteile hat, hat in der Regel auch Nachteile, wenn man es mit einem alternativen Szenario vergleicht. So müssen Grenzgängerinnen und Grenzgänger, anders als Personen, die fest in die Schweiz auswandern, nach wie vor in Deutschland ihre Einkommensteuer an die zuständige Finanzbehörde entrichten. Die Schweizer Steuern, die vom Bund, den Kantonen und Gemeinden erhoben werden, sind in der Regel deutlich niedriger. Hinzu kommt die Pflicht zur Abgabe einer Quellensteuer von etwa 4,5 % des Bruttolohns in der Schweiz. Bei der Krankenversicherung herrscht Wahlfreiheit.
Mehr Rente? Durchaus möglich!
Auch ins Schweizer Rentensystem zahlen Grenzgänger ein. Das führt zwar wie in Deutschland zu Lohnabzügen, rechnet sich aber im Alter. Bemüht man einen Vorsorgerechner für die Schweiz (findet man mit einer flinken Google-Suche), um den durch die Arbeit in der Schweiz erlangten Rentenanspruch zu kalkulieren, fällt auf, dass man nominell betrachtet mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mehr Rente erhalten wird als in Deutschland. Selbstverständlich wird die Schweizer Rente auch nach Deutschland transferiert, wo sich damit später - sofern alles so bleibt wie es ist - gut leben lässt.
Auswandern noch rentabler?!
Keine Quellensteuer (nach fünf Jahren und ordentlicher Aufenthaltsbewilligung) mehr und weniger Einkommensteuer: Lohnt es sich also, den Wohnsitz dauerhaft über die Grenze zu verlagern? Wir finden: Es kommt drauf an! Schaut man sich die Vergleichsberechnungen für Grenzgänger und Auswanderer auf bekannten Portalen an, fällt auf, dass in der Schweiz wohnhafte Personen durchaus mehr Geld übrig haben als Grenzgänger mit dem gleichen Bruttogehalt. Doch ob das auch noch so ist, wenn man die gesamten Lebenshaltungskosten mit einkalkuliert, darf bezweifelt werden - weniger wird es allerdings auch nicht sein. Letztlich hängt es also sehr stark vom tatsächlichen Lohnunterschied ab.
In der Bodenseeregion ziehen die Schweizer Kantone rund 20.700 GrenzgängerInnen aus Deutschland an. Im Gegenzug finden nur etwa 500 Personen den Weg aus der Schweiz in die deutsche Bodensee-Teilregion, um dort ihrer Arbeit nachzugehen.